
Laufzeit: 2016-2021
In der Dissertation bin ich der Frage nachgegangen, wie künstlerische Praktiken in der US-amerikanischen Stadt Detroit Raum produzieren und wie wiederum künstlerische Praktiken durch städtischen Raum informiert, inspiriert und produziert werden. Der Untersuchungsraum wurde hierfür ausgewählt, da Detroit durch seine Entwicklung von einer maßgeblich industriellen zu einer post-industriellen Stadt, den Verlust von mehr als der Hälfte der Bevölkerung in den vergangenen Jahrzehnten und der damit einhergehenden Brachflächen und Leerstände sowie eine historische, bis heute nachwirkende ‘racialization’ von ‘space‘, einen eigentümlichen urbanen Kontext darstellt. Ich nutze hierfür eine Perspektive auf Raum, die von den Arbeiten von Henri Lefebvre und Doreen Massey ausgeht und nach der Raum relational hergestellt wird und ein veränderbares, dynamisches Konstrukt sozialer und physisch-materieller Beziehungen ist. Räume sind darüber hinaus Gegenstand von Machtkämpfen und Aushandlungsprozessen, in denen ihre Bedeutung, Identität und Geschichte debattiert wird. Den zweiten theoretischen Baustein der Arbeit liefern Perspektiven, die die verflochtene Beziehung von Kunst, Gesellschaft und Raum in den Blick nehmen, wobei ‘socially-engaged art’ und ‘site-specific art’ sowie ‘public art’ hierbei thematisch im Vordergrund stehen. Dieser dialektischen Beziehung von Kunst (produzieren) und Raum (produzieren) habe ich mich über verschiedene ethnographische Methoden – Erkundungsspaziergänge, Beobachtungen, offene Interviews und ride-alongs mit Künstler:innen und anderen Expert:innen sowie einen autoethnographischen Foto-Essay – angenähert. Über die Verknüpfung von Theorie, Empirie sowie einer tiefgehenden Analyse der Geschichte Detroits konnte ich fünf künstlerische Praktiken identifizieren, die auf unterschiedliche Weisen Raum produzieren und von Raum produziert werden. Jede dieser fünf überlappenden und miteinander verbundenen Praktiken steht in Korrespondenz mit einem spezifischen Aspekt von Raum. So setzt sich beispielsweise die Praktik des Suchens, Findens und Recycelns von in der Stadt zurückgelassenem oder entsorgtem Material mit der Verfügbarkeit, Veränderbarkeit und Bedeutungszuschreibung von Materialität im räumlichen Kontext auseinander. Die Praktik des Dokumentierens und Kreierens von Geschichten über Detroit wiederum fokussiert das Dekonstruieren von (medialen, stereotypen und von außen zugeschriebenen) Narrativen über die Stadt und betont das Erzählen eigener, verkörperter und lokaler Geschichten von häufig marginalisierten Personen und Communities. Schließlich konnte ich in der Arbeit vielfältige und diverse Beziehungen und Wechselwirkungen von künstlerischen Praktiken und urbanem Raum in Detroit feststellen, die einerseits die Veränderbarkeit, Konflikthaftigkeit und die multiplen Identitäten, Bedeutungen und Geschichten von Raum aufgezeigt haben und andererseits, in ihrer Gesamtheit betrachtet, zu einem differentiellen Raum beitragen, der sich unter Anderem durch Unterschiedlichkeit, Teilhabe und Begegnungen auszeichnet.
Aus der Forschung sind mehrere Publikationen hervorgegangen:
- Küttel, N. (2024): Material agency in art installations: Exploring the interplay of art, space, and materials in Detroit. Geographica Helvetica, 79(2), 149–160. https://doi.org/10.5194/gh-79-149-2024.
- Küttel, N. (2022): When art and space meet – An ethnographic approach to artistic practices and urban space in Detroit. Franz Steiner Verlag. Stuttgart.
- Küttel, N. (2021): Autoethnography and Photo-Essay. In: Kogler, R.; Wintzer, J.: Raum und Bild – Strategien visueller raumbezogener Forschung. Springer. Berlin, Heidelberg. S. 57-67. https://doi.org/10.1007/978-3-662-61965-0_5.
- Küttel, N. (2018): Art for whose Sake? Zwischen Kommodifizierung, Gentrification und sozialem Engagement. dérive – Zeitschrift für Stadtforschung, 70, S. 27-31.