
Laufzeit: seit 2022
Die ostdeutsche Schiffbauindustrie befindet sich seit Jahrzehnten in Transformationsprozessen. Die ehemaligen MV Werften in Wismar, Stralsund und Rostock-Warnemünde sind hierfür ein besonders prägnantes Beispiel. Einst Volkseigene Betriebe der Deutschen Demokratischen Republik, wurden sie nach der Wiedervereinigung Deutschlands mit dem Ziel, sie in die kapitalistische Marktwirtschaft zu integrieren, privatisiert. Nach diversen Verkäufen in den vergangenen dreißig Jahren meldeten sie schließlich im Januar 2022 Insolvenz an. Dieser erneute Wandel reiht sich damit ein in einen langanhaltenden Prozess der Transformation und des Rückgangs im deutschen Schiffbau generell und in den drei großen ostdeutschen Werften im speziellen. Insbesondere Werftarbeiter:innen sind dadurch kontinuierlich Unsicherheiten und Brüchen ausgesetzt.
Das Forschungsprojekt setzt hier an, indem es die Verschneidung und Wechselwirkungen von Arbeit, Erinnerung, Identität, Verlust und Raum untersucht. Damit widmet es sich einer Leerstelle innerhalb der geographischen Erinnerungsforschung und der deutsch-sprachigen Labour Geography, in denen die Transformation von Werftarbeit, insbesondere im ostdeutschen Kontext und der ehemaligen DDR, bisher kaum Beachtung gefunden hat. Das Projekt rückt daher die Erfahrungsgeschichten von Transformationen und Umbrüchen in den Fokus, indem es danach fragt, wie Arbeiter:innen Transformationsprozesse erleben, deuten und erinnern und welche sozialen und kulturellen Phänomene und Beziehungen, Räume und Identitäten sich in Transformationsprozessen um-, über- bzw. neuformen. Die MV Werften eignen sich hierfür besonders als Untersuchungsgegenstand, da sie sich seit über dreißig Jahren in einem anhaltenden Prozess der Transformation befinden. Um diesen hinsichtlich seiner Dis/Kontinuitäten und (Aus)Wirkungen untersuchen zu können, werden sowohl historische als auch gegenwärtige Entwicklungen in den Fokus gerückt.
Aus der Forschung ist bisher folgende Publikation hervorgegangen:
- Küttel, N. (2024): Oral history in geographischer Forschung: Emotionen und Verlust in Erfahrungsgeschichten ehemaliger Werftarbeiter*innen erforschen. In: Special Edition Social Geography: Geographien des Verlusts, 79(4), 325–339. https://doi.org/10.5194/gh-79-325-2024.